Rezension: “Der längste Schlaf” von Melanie Raabe

Auf dem schmalen Grat zwischen Traum und Wirklichkeit 

Wer kennt die Art von Träumen nicht, die so echt wirken, dass die Grenzen zwischen dem Imaginären und dem wahren Leben für einen kurzen oder auch längeren Moment verschwimmen und man sich nach dem Aufwachen vorübergehend nicht sicher sein kann, ob man immer noch träumt? Einen solchen Traum habe ich kürzlich erst wieder sprichwörtlich erlebt und bin dabei voller Schrecken und mit Herzrasen auf unangenehme Weise aus dem Schlaf katapultiert worden. Ob das etwa der Einfluss von Melanie Raabes neuem Roman Der längste Schlaf war, der sich ganz intensiv um die Themen „(Alp-)Träume“ und „Schlaf“ dreht? Vielleicht. Immerhin hatte und habe ich – im Gegensatz zu Raabes neuer Hauptfigur Mara, die mit extremer Insomnie zu kämpfen hat – nach solchen Traumerlebnissen in den meisten Fällen zum Glück keinerlei Probleme, weiterzuschlafen. Nichtsdestotrotz hat mich Melanie Raabes neuester literarischer Clou letztendlich doch um die eine oder andere wertvolle Stunde Schlaf gebracht, da es die bildgewaltige Sprache und der ausgesprochen raffinierte Wechsel zwischen Thriller-, Krimi-, Schauer- und sogar Fantasyelementen einem bisweilen schlicht unmöglich machen, das Buch aus der Hand zu legen.

Weiterlesen

Rezension: “Die Farben des Sees” von Rike Richstein

Feinsinnige und tiefgehende Liebeserklärung an den Bodensee

Seit mehr als 13 Jahren sehe ich den Bodensee fast täglich, manchmal ganz aus der Nähe, manchmal nur aus der Ferne, und in der Zeit habe ich sicherlich unzählige Stunden damit verbracht, den Blick über das Wasser schweifen zu lassen, seine Farben mal mehr, mal weniger bewusst wahrzunehmen, dabei den eigenen Gedanken nachzuhängen und über (un-)mögliche „Was wäre (gewesen), wenn…“-Szenarien oder die eine oder andere (nicht) getroffene Entscheidung zu sinnieren. Die junge Autorin Rike Richstein hat sich vom Bodensee und all seinen Nuancen zu einem berührenden Roman inspirieren lassen, der sich genau um die richtigen und falschen Entscheidungen im Leben dreht und sich gleichzeitig wie eine Liebeserklärung an das Schwäbische (bzw. Badische) Meer liest.

Weiterlesen

Rezension: “Eigentum” von Wolf Haas

Lebenserinnerungen voller Humor und Sprachkunst

Bei unserem ersten Aufeinandertreffen vor mittlerweile mehr als 13 Jahren war das mit Wolf Haas und mir nicht gerade Liebe auf den ersten Blick bzw. aufs erste Wort. Mit dem Krimi, mit dem die damalige Deutschlehrerin uns nach den Abiturprüfungen noch begeistern wollte, und vor allem mit dessen speziellem Humor konnte ich damals nicht viel anfangen. Etliche Jahre und ein Literaturstudium später gab ich Privatdetektiv Simon Brenner nach der Lektüre von Wolf Haas’ Roman Junger Mann, der mir ausgesprochen gut gefallen hat, noch eine zweite Chance und bin seitdem eine große Liebhaberin von der Sprachkunst und dem besonderen Humor des österreichischen Autors. Deshalb war die Freude auch riesig, als mir der Hanser Verlag überraschend Wolf Haas neuestes Werk Eigentum zuschickte.

Weiterlesen

Rezension: “Lichte Tage” von Sarah Winman

Von großen Lieben und verpassten Chancen

Als ich das erste Mal von Lichte Tage hörte, das Cover sah und den Klappentext las, war ich fest davon überzeugt, dass Sarah Winmans Roman ganz und gar meinen Lesegeschmack treffen würde, dreht er sich doch um einige Themen, die immer wieder in der ein oder anderen Form in meiner bevorzugten Buchauswahl auftauchen und sich so nicht selten als Grundzutaten für eine mitreißende Lektüre erweisen: Melancholie, Poesie, Identitätssuche, Coming of Age, Sehnsucht, Einsamkeit, Melancholie, Kunstliebe, Trauer und Verlust. Obendrauf spielt Winmans Erzählung hauptsächlich in Oxford und London und Vincent van Goghs Kunst – und hier besonders eines seiner berühmten Sonnenblumen-Werke – spielt hier eine tragende Rolle. Es hätte also so schön sein können, aber leider wurde Winmans vielversprechender Roman meinen hohen Erwartungen bzw. großen Hoffnungen nicht ganz gerecht. 

Weiterlesen

Rezension: “Wintersonne” von Katrine Engberg

Insgel(un-)glück auf Bornholm

Unter allen Herbst/Winter-Neuerscheinungen war Wintersonne wohl diejenige, der ich mit der meisten Spannung, aber vor allem größten Wehmut entgegenblickte, immerhin sollte das das vorerst letzte Wiedersehen mit Katrine Engbergs kongenialem Kopenhagener Ermittlerduo Werner & Kørner werden. Seit dem Erscheinen von Krokodilwächter, dem ersten Teil der Krimiserie, sind mir Engbergs Figuren und auch ihr Erzählstil über die Jahre nämlich extrem ans Herz gewachsen. Auch im neuesten und letzten Fall für Anette und Jeppe, der die Leser:innen diesmal auf die dänische Urlaubsinsel Bornholm führt, findet sich Vieles von dem wieder, was mich bereits an den vorherigen Bänden begeistert hat, dennoch ist auch so Einiges ganz anders – und das hat für mich teilweise ziemlich gut, teils etwas schlechter funktioniert und mich am Ende, gerade auch im Hinblick auf den (scheinbaren?) Abschluss der Serie, etwas zwiegespalten zurückgelassen.

Weiterlesen