Rezension: “Shuggie Bain” von Douglas Stuart

Zwischen Anmut und Hässlichkeit, Hoffnung und Verzweiflung, Empathie und Abscheu

Für gewöhnlich mache ich mir nicht viel aus (inter-)nationalen Literaturpreisen. Okay, zugegeben, im Sommer schmökere ich dann doch ganz gerne durch das Leseprobenheft mit den Nominierten des Deutschen Buchpreises, aber hauptsächlich aus Gründen der Inspiration – den Gewinner lese ich dann trotzdem nur, wenn er mich inhaltlich anspricht, und nicht wegen seiner Auszeichnung. Oft treffen die Preisträger nämlich nicht so richtig meinen Geschmack. Dass der Gewinner des Booker Prizes 2020, dem wichtigsten britischen Literaturpreis, hier für mich jedoch eine schöne Ausnahme sein würde, das wusste ich schon, nachdem ich den Klappentext von Douglas Stuarts Debüt Shuggie Bain gelesen hatte: Ein Roman, der in Schottland spielt und alles andere als leichte Kost zu sein scheint, der wandert bei mir natürlich ohne Umwege direkt auf die vorderen Plätze der Leseliste. Zwar hat es dann letztendlich noch ein bisschen gedauert, bis ich mich Shuggie Bain widmen konnte, doch dann habe ich mich dieser herzzerreißenden, bedrückenden, bisweilen schonungslosen und gleichzeitig zärtlichen Geschichte, bei der trotz all der Düsternis und des Elends immer wieder Funken voller Hoffnung, Wärme und Mitgefühl zum Leser überspringen, völlig hingegeben und wurde nachhaltig beeindruckt.

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Rezension: “Immer noch wach” von Fabian Neidhardt

Was am Ende wirklich zählt

Wenn ich in eine Buchhandlung gehe, habe ich eigentlich in 99% der Fälle bereits vor Augen, welches Buch beziehungsweise welche Bücher ich mitnehmen werde, denn meine Bücherwunschliste ist lang und wird immer länger. Trotzdem stöbere ich gern, auch wenn mich dann wirklich selten ein Buch spontan so sehr anspricht, dass ich es unbedingt und sofort haben muss. Am vergangenen Samstag ist aber tatsächlich wieder einmal einer dieser raren Fälle eingetreten: Kurz nach dem Betreten des Buchladens ist mir in der Auslage nahe des Eingangs Immer noch wach von Fabian Neidhardt ins Auge gestochen. Den Namen des Autors und den Titel des Buches hatte ich bis dahin weder gehört noch gesehen, aber die Covergestaltung war auf Anhieb so ansprechend, dass meine Aufmerksamkeit geweckt war. Aber nicht nur die Optik war für mich sofort interessant, sondern auch der Klappentext: Die beschriebene Geschichte voller Schwermut, aber auch Tragikomik klang genau nach meinem Geschmack. Also schnappte ich mir das hübsche Büchlein und trug es nachfolgend quer durch den Laden – nur um es vor dem Rausgehen wieder an seinen ursprünglichen Platz zurückzustellen. „Brauche ich diesen Roman wirklich jetzt auf der Stelle, obwohl so viele andere tolle Bücher schon so lange ein unbestimmtes Dasein auf meiner Wunschliste fristen?“, fragte mich beim Stöbern die Stimme der Vernunft in meinem Kopf immer wieder und so beschloss ich, Immer noch wach auch erstmal auf die Warte-/Wunschliste zu setzen. Das Ende der Geschichte war dann allerdings, dass mir der Roman danach nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte, sodass ich letztendlich später noch mal extra zu der Buchhandlung zurückgelaufen bin und mir das Buch doch noch gekauft habe. Im Nachhinein bin ich sehr froh, dass ich das getan habe, denn hier lag ich mit meinem Instinkt wirklich goldrichtig: Zwischen diesen beiden – ich muss es noch einmal betonen – hübsch gestalteten Buchdeckeln steckt eine wirklich besondere und vor allem besonders erzählte Geschichte, die nachhaltig beschäftigt.

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Rezension: “Leinsee” von Anne Reinecke

Malerische Idylle mit Schattenseiten

An diesem Debütroman aus dem Hause Diogenes hatte ich unerwartet und ungewöhnlich lange zu knabbern: Nicht nur habe ich selbst für meine Verhältnisse überdurchschnittlich lange für dieses Buch gebraucht, sondern auch das Schreiben der Rezension immer wieder hinausgezögert. Ich habe schlichtweg Zeit gebraucht, um die Lektüre wirken zu lassen und meine Gedanken zu sammeln. Nun habe ich aber doch einmal versucht, sie niederzuschreiben – auch, um in gewisser Weise meinen Frieden mit dem Roman zu schließen.

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