Rezension: “Wintersonne” von Katrine Engberg

Insgel(un-)glück auf Bornholm

Unter allen Herbst/Winter-Neuerscheinungen war Wintersonne wohl diejenige, der ich mit der meisten Spannung, aber vor allem größten Wehmut entgegenblickte, immerhin sollte das das vorerst letzte Wiedersehen mit Katrine Engbergs kongenialem Kopenhagener Ermittlerduo Werner & Kørner werden. Seit dem Erscheinen von Krokodilwächter, dem ersten Teil der Krimiserie, sind mir Engbergs Figuren und auch ihr Erzählstil über die Jahre nämlich extrem ans Herz gewachsen. Auch im neuesten und letzten Fall für Anette und Jeppe, der die Leser:innen diesmal auf die dänische Urlaubsinsel Bornholm führt, findet sich Vieles von dem wieder, was mich bereits an den vorherigen Bänden begeistert hat, dennoch ist auch so Einiges ganz anders – und das hat für mich teilweise ziemlich gut, teils etwas schlechter funktioniert und mich am Ende, gerade auch im Hinblick auf den (scheinbaren?) Abschluss der Serie, etwas zwiegespalten zurückgelassen.

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Rezension: “Die Kunst des Verschwindens” von Melanie Raabe

Eine magische Geschichte über das Suchen und Finden, Fortgehen und Ankommen

Kann eine einzige Begegnung den Lauf eines Lebens verändern? Gibt es tatsächlich so etwas wie Seelenverwandtschaft? Und was bleibt von uns, wenn wir nicht mehr da sind? Fragen, die sich wohl jede*r schon einmal gestellt hat, deren Beantwortung jedoch alles andere als leicht fällt bzw. gar schier unmöglich scheint. Genau diesen Fragen widmet sich Bestsellerautorin Melanie Raabe in ihrem neuesten Werk Die Kunst des Verschwindens und präsentiert ihren Leser*innen darin eine unheimlich faszinierende Annäherung an eben solche Themen, die einem beim Versuch, sie zu greifen, am Ende doch irgendwie wieder entgleiten, und zeigt dabei auf: Ein bisschen Magie kann der Schlüssel sein. Und nicht nur die Geschichte über eine Reise zweier Frauen zueinander hin, voneinander weg und schließlich zu sich selbst zurück hat etwas Magisches an sich, sondern auch das Buch selbst, das sich genretechnisch in keine Schublade stecken lässt, sprachlich und stilistisch brilliert, konstant die Spannung hält, dafür jedoch kein Stück an Tiefe einbüßt und unglaublich berührt.

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Bericht: Lesungskonzert von Benedict Wells und Thees Uhlmann am 11. September 2022 in Zürich

“Bruce, der Tod und wir”

Der eine hatte erst vor einigen Monaten seinen Debütroman Sophia, der Tod und ich veröffentlicht, der andere jüngst seinen mittlerweile vierten Roman Vom Ende der Einsamkeit, der auch bald zum Bestseller avancieren sollte – da trafen Thees Uhlmann und Benedict Wells zum ersten Mal bei der lit.cologne 2016 aufeinander. Die Bühnenbegegnung zwischen dem norddeutschen Musiker/Neuautor und dem deutsch-schweizerischen Schriftsteller verlief schließlich so positiv, dass es fünf Jahre später auf der lit.cologne 2021 eine Wiederholung des Treffens gab: Diesmal ging es hauptsächlich um Wells’ neuen Roman Hard Land, die 80er, Bruce Springsteen und die USA und man musste nicht einmal live vor Ort dabei sein (dafür reichte nämlich auch der Livestream), um zu erkennen, dass hier Zwei ziemlich gut miteinander können. Groß war hier daher die Freude, als die beiden drei Lesungskonzerte im Herbst unter dem Titel „Bruce, der Tod und wir“ ankündigten. Den Auftakt machte dabei ein genial unterhaltsamer,  durch und durch euphancholischer Lesungsabend im Bogen F in Zürich mit zwei starken Persönlichkeiten, die zunächst wohl nicht gegensätzlicher sein könnten und doch irgendwie auf einer Wellenlänge unterwegs sind – und zwar nicht nur wegen ähnlicher Interessen oder Themen in ihren Werken, wie Wells und Uhlmann am vergangenen Sonntag auf eine absolut kurzweilige, launige sowie inspirierende Art unter Beweis stellten.

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Rezension: “Tell” von Joachim B. Schmidt

Ein Epos wie für die Kinoleinwand gemacht

Etliche Generationen von Schüler:innen haben wohl schon Friedrich Schillers bekanntes Drama Wilhelm Tell gelesen. Dazu gehöre auch ich. Die Lektüre liegt in etwa schon mein halbes Leben zurück und vielleicht mag der Zeitfaktor einer der Gründe sein, weshalb ich das Stück nur noch blass in Erinnerung habe. Andere Schullektüren sind mir jedoch viel lebhafter im Gedächtnis geblieben – ganz im Gegensatz wiederum zu einer Freilichtaufführung des Dramas, die zwar noch nicht ganz so lange zurückliegt, aber offenbar auch wenig eindrücklich gewesen sein muss. Was ich allerdings fast sicher weiß: An den Roman Tell, eine kürzlich erschienene Quasi-Generalüberholung bzw. Neuauflage der Schweizer Nationalsaga aus der Feder des in Island lebenden eidgenössischen Autors Joachim B. Schmidt werde ich mich hingegen vor allem aufgrund der bemerkenswert bildhaften und plastischen Erzählweise bestimmt noch viele Jahre erinnern.

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Rezension: “Kleine Paläste” von Andreas Moster

„The grass is always greener on the other side” – oder doch nicht?!

Blumige, leicht dramatisch anmutende Buchcover? Eher nicht so meins, da sind mir subtilere Covergestaltungen eigentlich lieber. Was jedoch geheimnisvolle, ambivalente und offensichtlich deutungsbeladene Buchtitel betrifft, da gehe ich schon eher mit. An neuen, (zumindest mir) noch relativ unbekannten Autor*innen bin ich sowieso immer interessiert, und so war meine Neugier geweckt, als ich im vergangenen Sommer auf Kleine Paläste von Andreas Moster gestoßen bin. Lediglich dreizehn Wörter – nämlich den allerersten Satz – hat es beim Probelesen gebraucht, um mich in die Geschichte zu ziehen, und nach dem Prolog war es dann komplett um mich geschehen: Der lakonische, zynische Erzählton, die schiere Skurrilität der geschilderten Szenerie sowie eine noch nicht ganz auszumachende düstere, atmosphärische Grundstimmung gepaart mit einer imposanten Sprachgewalt, die einen direkt umhaut, trafen bei mir – sprichwörtlich – ins Schwarze und die darauffolgenden Kapitel versprachen noch mehr davon. Dieses Buch musste ich (weiter-)lesen! Und mein von Anfang gutes Gefühl bezüglich des Romans sollte mich nicht trügen: Kleine Paläste wurde für mich zu einem absoluten Lesehighlight im vergangenen Jahr.

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