Rückblick: Lesemonate Januar und Februar 2018

Zwangsläufiger Stillstand in Sachen „Freizeitliteratur“

Long time no see… Mein letzter Beitrag ist mittlerweile schon drei Wochen her und generell war es hier auf dem Blog und auch auf den dazugehörigen Social Media-Kanälen (etwas) ruhig(er) in letzter Zeit. Diese kurzzeitige Funkstille hatte aber Gründe: In den letzten Monaten und vor allem in den vergangenen paar Wochen standen in meinem Leben ein paar große Veränderungen an. Ende Februar hatte ich meine mündliche Masterprüfung, auf die ich mich in den Monaten davor intensiv vorbereitet hatte. Direkt nach meinem Studienabschluss bin ich diesen Monat dann auch schon ins Berufsleben eingestiegen. Gerade im Hinblick auf die Prüfungsvorbereitung, aber auch vor dem Hintergrund der komplett neuen Situation, in der ich mich nun befinde, blieb also wenig Zeit fürs Lesen – und wenn ich gelesen habe, dann handelte es sich mit einer einzigen Ausnahme um Uniliteratur. Entsprechend überschaubar sieht meine Lesebilanz der letzten Wochen aus, weswegen ich die Lesemonate Januar und Februar nun auch in einem Beitrag zusammenfasse:

Gelesen im Januar und Februar 2018

The Lonely Londoners von Sam Selvon habe ich vor etlichen Jahren schon einmal gelesen und hatte es in guter Erinnerung. Jetzt habe ich den Roman nochmals im Rahmen eines Uniseminars gelesen und habe die Lektüre erneut sehr genossen. Vor allem die vielen und teils sehr unterschiedlichen Charaktere haben mir sehr gut gefallen (insbesondere die Szenen mit Tanty sind zum Schießen) und auch die Diskussion darüber im Seminar war sehr produktiv. Sam Selvons Porträt Londons weicht hier stark vom „klassischen“ Bild der Metropole ab, wie wir es üblicherweise aus der Literatur kennen, und ist deshalb besonders spannend: Aus der Sicht karibischer Einwanderer in den 50ern beschreibt Selvon die britische Hauptstadt sowohl als Anziehungspunkt als auch als Alptraum für die Neuankömmlinge – ein „gelobtes Land“, das sich trotz seiner Verlockungen als Blendung entpuppt. Nicht zuletzt deshalb ist The Lonely Londoner eine lohnende Lektüre. Der Roman wurde auch erst letztes Jahr(!) unter dem Titel Die Taugenichtse ins Deutsche übersetzt, da möchte ich auch einmal reinlesen, um zu sehen, wie hier mit der sprachlichen Herausforderung (der Roman ist in Patois, dem jamaikanisch-kreolischen Dialekt geschrieben) umgegangen wurde. Außerdem möchte ich nun auch unbedingt noch die beiden Fortsetzungen der Geschichte um die Hauptfigur Moses Aloetta lesen.

Bei Olga von Bernhard Schlink handelt es sich tatsächlich um das einzige „Freizeitbuch“, das ich in den letzten Wochen gelesen habe. Ich hatte mich schon seit Ewigkeiten auf das neue Werk von Schlink gefreut und es sogleich als erstes Buch für 2018 auserkoren. Da The Lonely Londoners allerdings dazwischengekommen ist und ich zwischendurch auch mit der Prüfungsvorbereitung beschäftigt war, konnte ich den Roman leider nicht am Stück lesen und habe relativ lange dafür gebraucht, was der Leseerfahrung etwas an der Intensivität genommen hat und was ich jetzt im Nachhinein als sehr schade empfinde. Deswegen fühlt es sich mittlerweile fast schon an, als wäre die Lektüre des Romans schon Ewigkeiten her. Aus diesem Grund und auch, weil ich auf alle Fälle noch eine Rezension dazu schreiben möchte, werde ich Olga wohl bald noch einmal lesen, aber da könnte es wirklich Schlimmeres geben. 😉

History of the Voice von Edward Kamau Brathwaite (nicht im Bild, da es zurück in die Bib musste): Dieses Sachbuch habe ich für die Prüfung gelesen, es fühlte sich aber (glücklicherweise) nicht als Pflichtlektüre an, da es sehr kurzweilig und informativ zu lesen war. Brathwaite, der aus Barbados stammt, untersucht hier vor allem anhand der Werke karibischer Dichter die unterschiedlichen Spracheinflüsse in der Karibik und stellt dem Begriff „Dialekt“ das Konzept der „nation language“ entgegen. Zu den Autoren, die Gebrauch von dieser „nation language“ machen, gehört im Übrigen auch der eben erwähnte und in Trinidad geborene Sam Selvon.

Auch Strange Fruit von Caryl Phillips (nicht im Bild, da digital) habe ich im Rahmen des Uniseminars, in dem auch Selvons Lonely Londoners behandelt wurde, gelesen. Mit dem Theaterstück hatte ich aber zugegebenermaßen meine Schwierigkeiten, da ich es als sehr bedrückend und frustrierend empfunden habe. Das Stück dreht sich um eine karibische Einwandererfamilie in Großbritannien, die an den Erfahrungen mit Rassismus, dem Generationenkonflikt und der (verzweifelten) Suche nach einer Identität letztendlich zerbricht. Das deprimierende Ende erinnerte mich an Shakespeares Tragödien, tatsächlich lehnt sich Phillips Stück aber an Henrik Ibsens Gespenster an.

Genau wie Selvons Roman hatte ich Tegonni: An African Antigone von Femi Osofisan (nicht im Bild, da digital) auch schon einmal vor ein paar Jahren gelesen. Da es sich bei diesem Theaterstück aber um eines meiner Prüfungsthemen handelte, habe ich es mir letzten Monat nochmals vorgenommen. Wie der Titel des Stücks schon unschwer vermuten lässt, handelt es sich hier um eine Adaption des berühmten Sophokles-Klassikers, wobei die Handlung vom antiken Griechenland nach Nigeria verlegt wurde und sich in diesem Fall mit (post-)kolonialen Themen auseinandersetzt. Wirklicht spannend und interessant zu sehen, was Osofisan hier auch der „original“ Antigone gemacht hat.

Aufmerksamen Lesern des Blogs fällt vielleicht auch hier auf, dass es eigentlich noch gar nicht so lange her ist, dass ich Falling Man von Don DeLillo gelesen habe. Tatsächlich habe ich den Roman nämlich schon im Rückblick zum Lesemonat Oktober 2017 vorgestellt. Damals hatte ich mich mit Falling Man zugegebenermaßen recht schwergetan, bei der zweiten Runde ging es jetzt schon deutlich besser. Da ich nun quasi einen „Schlüssel“ zum Roman in Form von Hintergrundinfos hatte und wusste, worauf es ankommt, fand ich einen leichteren Zugang zu der fragmentarisch dargestellten Geschichte einer von den Terroranschlägen am 11. September traumatisierten Familie. Wäre DeLillos Werk allerdings nicht eines meiner Prüfungsthemen gewesen, hätte ich Falling Man wahrscheinlich nicht noch einmal gelesen – besonders lesenswert finde ich den Roman nämlich immer noch nicht und daran, andere Werke des Autors zu lesen, habe ich momentan ebenfalls kein großes Interesse.

Arbeitet bzw. liest man Adaptionen von Sophokles‘ Antigone, kommt man natürlich auch nicht umhin, das Original zu lesen. Sophokles‘ Klassiker habe ich mittlerweile schon mehrmals gelesen: In der 9. oder 10. Klasse war das Stück Pflichtlektüre, in der Uni habe ich dann die englische Übersetzung gelesen und diese stand nun nochmals auf dem Programm. Aber Antigone ist ja glücklicherweise auch einer der Klassiker, den man immer wieder gut lesen kann, denn die Themen und vor allem die moralischen und ethischen Fragestellungen, die hier aufgerufen werden, sind absolut zeitlos.

Angesichts der knapp bemessenen Zeit in den letzten beiden Monaten, hatte ich auch kaum bis gar nicht Gelegenheit dazu, mich nach neuem Lesematerial umzusehen oder gar im Buchladen vorbeizuschauen. Deswegen sind im Januar und Februar auch nur drei neue Bücher hier eingezogen:

Neuzugänge im Januar und Februar 2018

Eigentlich sprengt Still Me von Jojo Moyes ja ein bisschen den Rahmen der hier sonst üblichen Genres, denn normalerweise lese ich keine “Chicklit” und mache um kitschige (Liebes-)Geschichten eher einen Bogen. Mit Me Before You hat es Jojo Moyes damals allerdings doch irgendwie geschafft, sogar mich „Romanzen-Muffel“ abzuholen. Daraufhin habe ich dann auch den Nachfolger After You gelesen, der mir aber gar nicht gefallen hat und nach dem ich mir auch vorgenommen habe, eine mögliche weitere Fortsetzung nicht mehr zu lesen. Tja, was soll ich sagen: Ein paar positive Rezensionen und Kritiken zum dritten Teil haben meine Meinung dann doch geändert und so bin ich schwach geworden und habe mir Still Me zugelegt. Ich hoffe, das war kein Fehler…

The Essex Serpent von Sarah Perry habe ich nach der bestandenen Prüfung von einer sehr guten und ebenfalls sehr bibliophilen Freundin, die ich hier auch schon das ein oder andere Mal erwähnt habe, geschenkt bekommen. Ich habe mich wirklich sehr darüber gefreut, da wir vor einiger Zeit beide schon schwärmend vor dem Regal im Buchladen gestanden sind und ich mir diesen historischen Roman, obwohl ich ihn zunächst versehentlich in die Fantasy-Ecke gesteckt hatte, über kurz oder lang auch selbst noch zugelegt hätte.

Einem unverhofften Büchergutschein (und irgendwie auch der Euphorie über die gemeisterte Prüfung) ist es zu verdanken, dass auch endlich Kleines Land von Gaël Faye in mein Regal einziehen durfte. Um dieses hübsche Buch bin ich nämlich schon einige Monate immer wieder im Buchladen herumgeschlichen, doch bei Hardcover-Ausgaben überlege ich dann doch immer lange und vor allem ganz genau, ob sich die Investition wirklich lohnt. Der Büchergutschein hat der Debatte nun zum Glück ein Ende gesetzt: Zwar hätte es auch durchaus noch ein paar andere Kandidaten gegeben, mit denen ich auch schon eine Weile liebäugle, aber im Prinzip war schnell klar, dass es letztendlich auf Gaël Fayes Roman hinauslaufen würde. Nun freue ich mich wirklich sehr auf die Lektüre, vor allem, da ich literarisch bis jetzt noch nicht in Burundi unterwegs gewesen bin.

Mit insgesamt sieben gelesenen Werken – vier im Januar, drei im Februar – ist mein Start ins neue Lesejahr 2018 eher durchwachsen verlaufen. Meinem selbst gesetzten Leseziel für dieses Jahr hänge ich damit sogar schon minimal hinterher. Auch in diesem Monat läuft es lesetechnisch bisher noch nicht so ganz optimal, da ich immer noch damit beschäftigt bin, die vielen Erfahrungen der letzten Zeit sacken zu lassen und mich in der neuen Situation zurecht- und einzufinden. Gerade in den letzten Tagen habe ich aber wieder damit begonnen, eine Art Leseroutine zu entwickeln – ich hoffe, ich finde meinen Rhythmus schnell wieder und kann euch in den nächsten Wochen und Monaten wieder mehr tolle Bücher vorstellen. Allen Büchermenschen, die auf die LBM gehen, wünsche ich an dieser Stelle aber schon einmal ganz viel Spaß, anregende Begegnungen und tolle Erfahrungen – ich als (mal wieder) Daheimgebliebene bin schon sehr auf all eure Berichte gespannt!

Welche Bücher habt ihr denn in den letzten Wochen gelesen und welche Schätze sind neu hinzugekommen? Wie immer würde ich mich über Kommentare und Empfehlungen freuen!

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