Bericht: Lesung von Joachim B. Schmidt am 6. September 2025 in Appenzell

Atmosphärische Reise in den hohen Norden Islands

Kürzlich musste ich mit Erschrecken feststellen, dass ich in diesem Jahr noch keine einzige Lesung besucht habe – ein schier untragbarer Zustand für eine begeisterte Lesungsbesucherin für mich, doch leider ist hier das Angebot an für mich interessanten Lesungen in den vergangenen Monaten ohnehin eher überschaubar gewesen und wenn doch mal ein*e interessante*r Autor*in in der Nähe gelesen hat, ist der Lesungstermin entweder ausgerechnet in meine Urlaubszeit gefallen oder bereits ausverkauft gewesen. Immerhin zum Start von Joachim B. Schmidts Schweiz-Lesereise zu seinem neuesten Roman Ósmann habe ich es zum Glück pünktlich aus dem Urlaub geschafft und so ging es für mich fast ein Jahr nach meiner letzten Lesung und beinahe genau zwei Jahre, nachdem ich den Autor dort schon einmal bei einer Lesung erleben durfte, wieder ins beschauliche Örtchen Appenzell: Im hiesigen, bis auf den letzten Stuhl vollgepackten Bücherladen nahmen Schmidt und der Schweizer Musiker Tom Egger die Lesungsgäste mit auf eine lyrische Reise nach Nord-Island.

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Rezension: “Für Polina” von Takis Würger

Modernes Märchen voller Musik und Magie

Vor knapp acht Jahren betrat Takis Würger mit seinem Debüt Der Club die deutschsprachige Literaturszene fulminant und mit großer Beachtung – und eroberte mit seinem Erstling auch mein Herz im Sturm. Nachdem sich der Autor literarisch zwischenzeitlich an eher historischen und biografischen Themen (den ein oder anderen Wirbel darum inklusive) sowie zuletzt gesellschaftskritischen Geschichten mit Krimipotenzial ausprobiert hatte, kehrt er mit seinem neuesten Werk Für Polina nun wieder zu seinen Anfängen und in vertraute Gefilde zurück und stellt darin sein außergewöhnliches Können eindrücklich unter Beweis. Mit dieser ungewöhnlichen Liebesgeschichte, die deutliche märchenhafte Züge aufweist und auch sonst in vielen Punkten an Der Club erinnert, gleichzeitig jedoch wie eine erwachsenere, gereiftere Version des Debüts daherkommt, ist Würger zweifellos der nächste große Wurf gelungen.

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Rezension: “Wackelkontakt” von Wolf Haas

Ganz schön raffiniert: Trickkiste zwischen zwei Buchdeckeln 

Wolf Haas hat es schon wieder getan: In seinem neuen Roman Wackelkontakt spielt und zaubert der österreichische Bestsellerautor aufs Neue mit Sprache, dass es eine wahre Freude ist. Das war nach seinem letzten großen Wurf, dem brillanten Eigentum, zu erwarten oder zumindest zu erhoffen. Doch Haas’ neuester Geniestreich ist auch eine Wucht im Hinblick auf den Inhalt, das Spiel damit und die daraus resultierende Konstruktion – oder resultiert das Spiel etwa aus Inhalt und Konstruktion? Das ist auch der Knackpunkt des Romans: Wo sind jeweils der Anfang und das Ende, der Start und das Ziel einer Geschichte und wo und wie führen alle Fäden schließlich zusammen? Ein eigentlich unmögliches literarisches Gedankenexperiment, das verblüffenderweise tatsächlich aufgeht und allen, die sich auf dieses wahnwitzige Spiel einlassen, einen durch und durch irrsinnigen Lesegenuss bietet.

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