Bericht: Lesung von Benedict Wells am 22. September 2016 in Ravensburg
Was könnte als erster richtiger Beitrag auf diesem Blog besser passen, als ein Bericht über einen Abend, der Literatur und Musik so wunderbar miteinander vereinte, wie ich es bis jetzt selten erlebt habe? Da es diese Seite damals noch nicht gab, der besagte Abend aber mit einer der Gründe für die Entstehung des Blogs war (wie hier bereits erwähnt), hier nun mein nachträglicher Bericht über die Lesung von Benedict Wells im Konzerthaus in Ravensburg am 22. September, bei der auch der Musiker Jacob Brass dabei war.
Ich bereue es so sehr, dass ich nicht schon im April zu einer von Wells’ Lesungen hier in der Nähe gegangen bin. Um ehrlich zu sein, hatte ich davor lediglich am Rande den Hype um sein neuestes Werk Vom Ende der Einsamkeit mitbekommen und mir zwar gedacht, dass ich eigentlich hingehen sollte, aber da ich bis dato kein Buch von ihm gelesen hatte und auch niemand so recht mitgehen wollte, bin ich letztendlich daheimgeblieben. Der Ärger darüber, diese Gelegenheit verpasst zu haben, ist zwar immer noch nicht ganz verflogen, aber glücklicherweise sollte ich mit seiner Lesung in Ravensburg noch eine zweite Chance bekommen.
Diese Lesung nahm ich dann auch als Anlass, mich endlich Wells’ Büchern zu widmen. Immerhin eines wollte ich bis dahin gelesen haben. Ich las, vor allem wegen seines Themas, innerhalb weniger Tage Becks letzter Sommer und diese Auswahl sollte sich dann auch als goldrichtig herausstellen.
Zugegebenermaßen bin ich ganz froh, dass ich mich vor der Lesung noch nicht allzu sehr mit den Büchern beschäftigt hatte, ansonsten hätte ich diesem Datum wahrscheinlich weniger gelassen entgegengesehen. Ich konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht erahnen, wie sehr mich das Wells-Lesefieber letztendlich packen würde (aber dazu mehr in einem separaten Beitrag)! Einer, der dann kurz vor Lesungsbeginn allerdings mit einer unglaublichen Nonchalance ins Konzerthaus geschlendert kam, war Benedict Wells selbst. Wäre er nicht im schicken Anzug erschienen und zu einem anderen Saaleingang geführt worden, hätten ihn vermutlich die Wenigsten bemerkt. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte sich bereits eine beträchtliche Schlange vor dem Saal gebildet und ein Raunen ging durch die Vorhalle, als er an der Menge vorbeilief: „Was, das ist er? Der ist ja noch jung!“ kam mir nicht nur einmal zu Ohren…
Im Saal angekommen, stellte ich mit Erstaunen fest, dass auf der Bühne neben dem Lesepult auch eine Gitarre samt Mikro standen und am Verkaufstisch nicht nur das gesamte Wells’sche Oeuvre, sondern auch CDs angeboten wurden. War Wells nun auch unter die Musiker gegangen? Ich ließ mich überraschen und konnte mir zu dem Zeitpunkt tatsächlich noch nicht ausmalen, was mich für ein wunderschön gestalteter Abend erwarten sollte.
Die Begrüßung übernahm eine Mitarbeiterin der veranstaltenden Buchhandlung RavensBuch. Sie erzählte, dass dies nicht Wells’ erster Abstecher in Ravensburg sei. Diesmal sollte sein Besuch im Rahmen seiner Lesereise zu Vom Ende der Einsamkeit aber sämtliche andere in Ravensburg (und vielleicht auch sämtliche anderen?) bisher stattgefunden Lesungen überbieten: Die Lesung sollte nicht in der Buchhandlung, sondern im opulenten Konzerthaus stattfinden. Die durchaus riskante Rechnung ging auf und hunderte interessierte Leser warteten nun mit Spannung darauf, dass der Autor höchstpersönlich seinen geschriebenen Worten mit seiner Stimme Leben einhauchen würde. Dieser kam während der Begrüßung tatsächlich nicht mehr aus dem Grinsen und Staunen heraus, zückte die Kamera und wirkte so, als ob er es gerade selbst nicht so ganz glauben konnte, dass sich hier alles um ihn drehte und die ganzen Leute da vor ihm tatsächlich nur wegen ihm und seiner Bücher da waren.
Als Wells dann selbst das Wort ergriff, betonte er sichtlich bewegt, wie surreal dieser Moment sei und es ja schließlich auch keine Selbstverständlichkeit sei, dass so viele Menschen zu einer seiner Lesungen kommen wollten. Indem er dann auch seinen Freund Jacob Brass vorstellte und erklärte, dass dieser heute den Soundtrack zum Buch liefern würde, löste er dann auch das Rätsel um die Gitarre und die ominösen CDs. Brass sollte die einzelnen Leseparts mit fünf Songs einrahmen, zwei davon selbstkomponiert, drei Lieder hätten eine enge Beziehung zum Roman. Da ich das Buch davor weder gelesen noch die von Benedict Wells auf seiner Facebookseite veröffentlichte Soundtrackliste (übrigens hier zu finden und sehr zu empfehlen!) gesehen hatte, war ich immens gespannt darauf, welche Lieder es nun sein würden.
So machte Jacob Brass den Anfang mit „Place to Be“ von Nick Drake, bevor Wells die erste Passage aus Vom Ende der Einsamkeit vorlas. Er wählte an dem Abend, um nicht zu viel vorwegzunehmen, hauptsächlich Stellen aus dem ersten Teil des Buches, der von der Zeit der drei Geschwister Jules, Liz und Marty vor dem Tod ihrer Eltern sowie von der Zeit auf dem Internat handelt. Es sind stellenweise sehr amüsante Abschnitte, die beim Publikum für viele Lacher sorgten – unter anderem auch wegen Wells’ gekonnter Imitation diverser Dialekte und Attitüden. Dafür gab’s dann sogar auch den ein oder anderen Zwischenapplaus, den Wells so bescheiden annahm, als wäre das alles gar nicht der Rede wert. Doch der Abend zeigte, dass dieser Ausnahmeautor nicht nur wunderbare Geschichten verfassen kann, sondern auch weiß, wie er seine Stimme (und wohlgemerkt auch seinen Charme) gekonnt einzusetzen hat, damit ihm die Zuhörer förmlich an den Lippen hängen.
Abwechselnd folgten auf Wells’ Leseparts jeweils Brass’ Darbietungen der Songs „Save Me“ (selbstkomponiert), „Between the Bars“ von Elliott Smith sowie seines eigenen Hits „Norway“, den sich Benedict Wells extra gewünscht hatte. Man sah ihm die Begeisterung für die Musik an: Er wippte fröhlich mit, machte Fotos, filmte und verhielt sich ganz wie ein Fan auf einem Konzert. Überhaupt versteckte der Autor seine Freude über diesen Abend keineswegs und betonte zwischenzeitlich auch, dass es für ihn immer wieder unglaublich sei, vom Buch aufzuschauen und in den von Menschen gefüllten, prunkvollen Konzertsaal zu blicken. Man nahm ihm sein Entzücken auch vollends ab: Mich erinnerte sein Strahlen immer wieder an ein Kind vor dem erleuchteten Weihnachtsbaum.
Gegen Schluss las Wells noch einen Teil über Jules und Alva, welcher schließlich von dem von Jacob Brass dargebotenen Abspann-Song „Across the Universe“ in der Version von Fiona Apple gefolgt wurde. Eine ganz kurze Passage vom Ende des Romans gab Benedict Wells seinen Lesern noch mit auf den Weg, dann übernahm Michael Riethmüller von RavensBuch wieder und dankte dem jungen Schriftsteller für sein Kommen. Er wies darauf hin, dass nun die Möglichkeit bestünde, sich die Bücher signieren zu lassen und keiner Angst haben müsse, leer auszugehen, da die Signierstunde anschließend vom Konzerthaus in ein Café verlegt würde. Doch glücklicherweise musste ich nicht allzu lange auf meinen kleinen Moment mit Benedict Wells warten.
Sämtliche Leute vor mir hatten sich Vom Ende der Einsamkeit signieren lassen, doch ich hatte extra Becks letzter Sommer mitgebracht, weswegen Wells meinte, dass das ja perfekt zum Abend passe. Dem stimmte ich voll und ganz zu! Wir redeten ein bisschen über Musik und Becks letzter Sommer sowie eine mögliche Fortsetzung des Romans. Es war jedenfalls unglaublich toll und inspirierend, den Menschen hinter diesen wunderschönen Geschichten und eine so unfassbar authentische und sympathische Persönlichkeit kennenzulernen. Als ich in die Runde sah, wurde mir nämlich bestätigt, dass Benedict Wells allgemein mit seiner großartigen Arbeit, aber auch zusätzlich mit seiner herzlichen Art an diesem Abend nicht nur mir, sondern vielen anderen ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hatte. Ich freue mich bereits gigantisch auf seine kommenden Werke und seine weiteren Lesungen in naher oder ferner Zukunft und lege es jedem, der die Gelegenheit haben sollte, ans Herz, eine seiner Lesungen zu besuchen und sich ein kleines bisschen (oder auch ein bisschen sehr) begeistern zu lassen.
Sämtliche geplanten Lesetermine zu Vom Ende der Einsamkeit sind übrigens hier zu finden: http://www.diogenes.ch/leser/autoren/w/benedict-wells.html#!events
Wer jetzt noch neugierig ist, wie Benedict Wells’ Lesungen normalerweise (also ohne Jacob Brass im Gepäck) ablaufen, dem empfehle ich, einmal bei moment-aufnahme.net (Bericht über Wells’ Lesung auf der Erfurter Herbstlese) und studierenichtdeinleben (hier geht’s um Wells’ Lesung in Dresden) vorbeizuschauen.
Über weitere Erfahrungsberichte in den Kommentaren würde ich mich natürlich aber auch sehr freuen!
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