Bericht: Lesung von Takis Würger am 17. März 2017 in Ravensburg
Der Club im Boxclub: Lesung einmal etwas anders
Der Club von Takis Würger ist so ein Buch, über das ich in den letzten Wochen ausschließlich gute Kritiken gelesen habe. Mein Interesse war schnell geweckt und obwohl ich bis dato noch keine Zeit gefunden hatte, den Roman selbst zu lesen, spielte ich mit dem Gedanken, auf eine Lesung des Autors zu gehen. Offenbar hatte ich aber wohl eine eher schlampige Recherche betrieben, denn ich war der Annahme gewesen, dass in nächster Zeit keine Lesung in der Nähe stattfinden würde – der Lesetermin in Ravensburg war mir also komplett entgangen. Wie es aber doch noch dazu kam, dass ich die Lesung besuchen konnte? Instagram sei Dank! Dort stolperte ich am Nachmittag über ein Foto des Autors, bei dem er in der Bildunterschrift erwähnte, dass er am Abend in Ravensburg aus seinem Roman lesen würde. Ich fackelte nicht lange, rief schnell beim Buchladen an, um sicherzugehen, dass es auch noch Karten gab, packte anschließend meine Sachen und schipperte darauf kurzerhand über den Bodensee. Eigentlich gehöre ich sonst nicht wirklich zur spontanen Sorte, aber in solchen Fällen kann man ja auch mal eine Ausnahme machen.
Eine Lesung im Boxclub, das erlebt man ja schließlich auch nicht alle Tage – wenn überhaupt! Somit war ich nicht nur richtig gespannt auf den Schriftsteller und sein Werk, sondern auch darauf, wie die Lesung gestaltet sein und der Abend verlaufen würde. Würden wir Zuschauer es uns vielleicht auf den Trainingsmatten gemütlich machen und Takis womöglich selbst in den Ring steigen und dort vorlesen? Oder würde er uns gar ein paar seiner Boxskills vorführen? So malte ich mir (zur Ablenkung) die tollkühnsten Szenen aus, während die Fähre auf dem unruhigen Bodensee merklich hin und her schaukelte.
Ganz so abenteuerlich sollte sich der Abend dann glücklicherweise(?) aber doch nicht gestalten. Also zumindest fast – der Weg vom Parkplatz bis zu den Räumlichkeiten der Champ Sportakademie erinnerte nämlich ein bisschen an eine Schnitzeljagd, denn Pfeile auf dem Boden wiesen den Besuchern den Weg. Aber keine Sorge, man musste keine Odyssee hinter sich bringen. Dort angekommen musste man auch nicht, wie befürchtet, mit den Matten am Boden vorliebnehmen, sondern durfte auf Plastikstühlen und Holzbänken Platz nehmen und der Lesetisch stand auch nicht im, sondern vor dem Ring – also doch eher wie auf normalen Lesungen, trotz des ungewöhnlichen Ambientes. Der Boxring kam später dennoch zum Einsatz, denn sechs junge Mitglieder des Clubs führten vor dem eigentlichen Beginn der Lesung drei kurze Sparringskämpfe vor. Das sorgte zwar ein wenig für die zur Handlung des Romans passenden Stimmung, zog sich aber dann leider doch etwas hin – man war ja schließlich wegen des literarischen und nicht wegen des sportlichen Anteils des Abends gekommen. Deswegen war im Publikum auch ein verhaltenes Aufatmen zu vernehmen, als die Boxerjungs den Ring, äh, die Bühne für die veranstaltende Buchhändlerin Anna Rahm und natürlich für Takis Würger räumten. Anna Rahm begrüßte den Autoren und erklärte, dass sie sich, weil sie ja nicht allzu viele Lesungen im Jahr veranstalten könne, dann dafür wenigstens immer ein paar besondere Juwelen heraussuche – nicht nur für ihre Kunden, sondern auch für sich selbst. In dem Fall war es glücklicherweise also auch dem Eigeninteresse der Buchhändlerin zu verdanken, dass der junge Autor auf seiner gerade erst ins Rollen kommenden Lesereise (es war erst die vierte Lesung) einen Zwischenhalt im (Ober-)Schwabenländle einlegte.
Takis Würger stellte seinen Roman ganz knapp vor und erklärte kurz den Grund, warum es während des Vorlesens eventuell rascheln könnte: Seine vorbereiteten Vortragsseiten waren ihm ein paar Tage zuvor auf den nassen Asphalt gefallen. Vermutlich hätte das Knistern der Blätter aber nicht für Unmut beim Publikum, sondern eher für einen gewissen Charme gesorgt, aber es war ohnehin später kaum bis gar nicht zu hören – trotzdem eine nette Anekdote, welche die Stimmung sofort lockerte. Im Anschluss stieg Takis Würger direkt ins Buch ein, indem er den Anfang seines Romans vorlas. Zum besseren Verständnis holte er, was den Inhalt des Buches betrifft, danach noch ein wenig aus, bevor er den Part, in dem sein Protagonist Hans zum ersten Mal den sagenumwobenen Pitt Club betritt, zum Besten gab. Dann überlegte er zunächst, welcher Teil aus dem Buch nun folgen sollte und schwankte offenbar zwischen zwei Szenen, entschied sich aber schließlich, zur hörbaren Freude des Publikums, dafür, beide Romanausschnitte vorzulesen. Beim ersten handelte es sich allerdings um eine Textstelle, die er bisher noch auf keiner Lesung vorgetragen und deshalb auch nicht vorbereitet hatte. Somit kam erstmals das hübsche blau-, schwarz- und hellbraungestreifte Büchlein statt der Manuskriptseiten zum Einsatz. Die Anspannung war dem Autor anfangs durchaus anzumerken, war aber eigentlich völlig unbegründet, denn auch dieser Teil der Lesung kam bei den Zuhörern gut an, wenn nicht sogar noch ein bisschen besser, weil er aufgrund der Thematik (es handelte sich um eine Boxszene) natürlich bestens zum Lesungsort passte. Mir zumindest hat dieser Textausschnitt sogar am besten gefallen, weil man automatisch mitfieberte. Auch die darauffolgende letzte vorgelesene Textstelle, eine intime Szene zwischen Hans und Charlotte, kam sehr gut an.
Nun folgte eine kurze Fragerunde – für mich ja immer der beste und interessanteste Teil einer Lesung. So erzählte Takis Würger beispielsweise, dass ihm die Idee zu seinem Roman allmählich während seines einjährigen Studienaufenthalts in Cambridge kam. Unter anderem hätten ihn auch ein Gerücht über den Pitt Club, das dort den Umlauf machte, sowie eigene Erlebnisse, die ihn regelrecht erschrocken hätten, inspiriert. Da er seit einem Alter von 19 Jahren hauptberuflich schreibe und es deshalb gewohnt sei, Erlebtes im Schreiben zu verarbeiten, kam also eins zum anderen – und das Publikum staunte nicht schlecht, als es erfuhr, dass das Manuskript in etwa drei Monaten geschrieben war. Der ausgebildete Journalist berichtete auch, dass er beim Schreiben des Romans zwar auf große Teile seines erlernten Schreibwerkzeugs zurückgreifen habe können, sich aber auch der Unterschiede zwischen journalistischem und kreativem Schreiben bewusst geworden sei. So musste er beispielsweise lernen, seine Sätze weniger pointiert zu verfassen, um den Roman nicht zu überladen. Ein Bild, das er in diesem Kontext auch erwähnte, ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Er sprach davon, dass man zum Beispiel gerade im Falle von Reportagen nach Edelsteinen (also besonderen Formulierungen und Momenten, die im Text besonders aufleuchteten) suche, man aber beim Schreiben eines Romans ja theoretisch Zugang zur gesamten Edelsteinkammer habe und deshalb aufpassen müsse, es in seinem Text nicht mit dem Schimmer zu übertreiben. Selbstironisch meinte Takis Würger aber dann, dass sein Roman doch ziemlich schillere, wenn man genau hinsähe – darauf werde ich dann also mal genau achten, wenn ich Der Club bald lese.
Nach etwa zwei Stunden Boxen, Lesen sowie Fragen und Antworten wurde dann sozusagen die Endrunde der Lesung eingeläutet: Der Autor signierte zum Abschluss noch vor Ort gekaufte oder mitgebrachte Romane und tauschte ein paar Worte mit seinen Lesern aus. Als einen schönen und passenden Touch empfand ich, dass er die Widmungen ganz old-school mit einem Füller und blauer Tinte in die Bücher schrieb. Das Leitthema des Abends – Boxen – zog sich dann sogar noch bis zum Ende des Abends durch: Zum Abschied wurde ich vom gutgelaunten Inhaber des Boxclubs mit einem kumpelhaft-sportlichen Klaps auf den Oberarm in die etwas stürmische Nacht entlassen. Ich verließ das Gebäude mit einem Schmunzeln auf den Lippen und bereute angesichts eines so unterhaltsamen und außergewöhnlichen Abends meinen Spontanausflug nach Ravensburg kein bisschen. Im Gegenteil: Gerne wieder!
Und wer sich (im Gegensatz zu mir rechtzeitig) über etwaige Lesungstermine in seiner oder ihrer Nähe informieren möchte, der kann hier einmal nachschauen.
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