Kopenhagens schrecklich „nette“ Familien
Früher haben sich kaum bis eigentlich gar keine Krimis oder Thriller auf meinen Lesestapel verirrt. Der Großteil dieser Genres erschien mir oft viel zu reißerisch, blutig, mitunter auch banal und – gemessen an meinen literarischen Vorlieben – sprachlich viel zu anspruchslos. Die dänische Autorin Katrine Engberg hat mich vor einigen Jahren glücklicherweise eines Besseren belehrt und mit ihrer 2016 begonnen Kopenhagen-Serie um das Ermittlerduo Anette Werner und Jeppe Kørner gezeigt, dass es in diesem Genrebereich auch durchaus anders geht. Seitdem freue ich mich auf jede Fortsetzung, denn mit jedem Teil ihrer Thrillerreihe konnte Engberg bisher noch eine Schippe drauflegen: Während sie mit Krokodilwächter schon einen fulminanten Start hingelegt hatte, konnte mich der Nachfolger Blutmond noch ein bisschen mehr mitreißen und Glasflügel hat mich wirklich restlos begeistert. Groß war deshalb meine Vorfreude auf, aber noch etwas größer waren auch meine Erwartungen an Das Nest, den vierten und vorletzten Teil der Serie, den ich schließlich im Urlaub innerhalb kürzester Zeit verschlungen habe. Zwar kommt der neueste Fall von Werner und Kørner nicht ganz an das extrem spannungsreiche Tempo seiner Vorgänger heran und weist am Ende die ein oder andere kleine Ungereimtheit auf, dennoch liefert Engberg hier mit Das Nest wieder ein sprachlich brillantes und thematisch vielfältiges sowie relevantes Werk mit liebevoll gestalteten und vor allem unglaublich authentischen Charakteren, die man wegen oder auch trotz all ihrer Stärken und Schwächen – sprich gerade aufgrund ihrer Menschlichkeit – nur ins Herz schließen kann.