Bericht: “Rocky – Das Musical” im Stage Palladium Theater in Stuttgart

The Eye of the Tiger

Ich freue mich, dass es nach ein paar Wochen, in denen mein Literatur- und Musikblog nun besteht, nun bereits die nächste Premiere gibt: Meinen ersten Musicalbericht. Seit meinem ersten Musicalbesuch 2006 (übrigens war das damals Tanz der Vampire in Hamburg) bin ich völlig fasziniert von der Welt der Musicals und schaue mir unglaublich gerne die unterschiedlichsten Stücke, die in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz sowie in Großbritannien aktuell laufen, an (manchmal auch mehrmals, ahem…). Allerdings wäre für die nächste Zeit eigentlich vorerst keine Show mehr geplant gewesen, doch glücklicherweise kam im September Post von Stage Entertainment bei mir eingetrudelt: Im Rahmen einer Befragung erhielt ich ein Gratis-Ticket für Rocky – Das Musical in Stuttgart. Ich hatte das Stück zwar bereits im Sommer gesehen und es hatte mir zugegebenermaßen nicht so richtig zugesagt (dazu aber später mehr), aber bei geschenkten Konzert-, Theater- oder eben Musicaltickets sage ich doch nie nein! Außerdem dachte ich mir, dass eine zweite Chance ja nicht verkehrt sein und sich meine Meinung über das Musical ja vielleicht noch mal ändern könne. So kam es also, dass ich mich letzten Donnerstag nach langer Zeit mal wieder auf den Weg in die „Ländleshauptstadt“ machte.

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Der Austragungsort des “Fight of the Century” zwischen Rocky Balboa und Apollo Creed: Das Stage Palladium Theater in Stuttgart

Vorab: Nein, ich habe den Film Rocky nie gesehen und Boxen (eigentlich wie sämtliche anderen Sportarten auch) hat mich nie auch nur im Geringsten interessiert. Da mich die Thematik und die Handlung des Musicals also so gar nicht reizten, hatte ich anfangs auch gar nie vor, mir das Musical überhaupt anzuschauen. Dank eines sehr günstigen Angebots (und eines leichten „Musicalentzugs“) ließ ich mich im Juli dann aber doch noch dazu breitschlagen, Rocky eine Chance zu geben. Um es, was meinen ersten Ausflug in die Welt des Boxens betrifft, kurz zu machen: Ich lag mit meiner Intuition, dass es kein Musical nach meinem Geschmack sein würde, richtig und es gab an dem Musical mehr Aspekte, die mir nicht gefallen hatten, als solche, die mich begeistern konnten. Das lag damals unter anderem auch an der Besetzung. Deswegen hatte ich im Hinblick auf meinen zweiten Besuch des Musicals die große Hoffnung, dass mich der Cast (gerade der Hauptrolle!) diesmal mehr überzeugen und mitreißen konnte. Meine Vorabrecherchen sorgten bei mir schließlich für gemischte Gefühle: Einerseits Enttäuschung darüber, dass es, was die Hauptrolle Rocky Balboa angeht, wieder nicht die Erstbesetzung (Nikolas Heiber) sein würde, aber auch gewissermaßen Erleichterung darüber, dass es glücklicherweise auch nicht der Zweitbesetzte Hannes Staffler, mit dem ich im Juli das fragwürdige „Vergnügen“ hatte, sein würde, sondern der dritte Rocky im Bunde, nämlich Antonio Orler. Zugegeben, meine Erwartungen waren ohnehin nicht mehr hoch und ich dachte mir nur: „Schlechter kann’s eh nicht mehr werden“ – zumal ich wusste, dass ich immerhin wieder die wunderbare Wietske van Tongeren in der Rolle der Adrian sehen und sie das alles wenigstens ein bisschen wettmachen würde.

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Saß ich das letzte Mal relativ weit vorne links, hatte ich nun etwas weiter hinten, dafür aber in der Saalmitte einen Platz. War ich beim letzten Besuch etwas näher am Geschehen dran, hatte ich dafür nun einen besseren Gesamtüberblick über die Bühne. Das Bühnenbild, die Bühnengestaltung und vor allem –technik waren bei meinem ersten Besuch auch mein absolutes (aber auch so ziemlich das einzige) Highlight: Hier hatte man sich richtig ins Zeug gelegt und eine wahrlich phänomenale Bühnentechnik ausgefeilt, die tatsächlich ihresgleichen sucht. Ich fragte mich damals und auch dieses Mal wieder, wie das alles technisch und auch platzmäßig möglich war – wirklich eindrucksvoll! Nicht nur der in den Publikumsbereich fahr- und drehbare Boxring, der selbstverständlich das große Highlight der Show ist, sondern auch die Kulissen für den Tierladen, Rockys sowie Paulies Wohnungen, sämtliche Brückenkonstruktionen oder auch die Stufen zum Philadelphia Museum versetzten die Zuschauer immer und immer wieder ins Staunen. Gerade hier bemerkt man auch sehr oft die Liebe zum Detail, die mir hier wirklich positiv aufgefallen ist. Hervorzuheben ist an dieser Stelle auch die künstlerische Umsetzung in Form von Licht- und Projektionstechnik, die ebenfalls sehr originell und wirkungsvoll sind.

Was das Musical – zumindest bei mir – an Bonuspunkten für die Bühnengestaltung gewann, ging in den Bereichen „Kostüme“, „Handlung/Dialoge“ und „Musik“ wieder so ziemlich verloren. Mir ist durchaus bewusst, dass die Kostüme den 70er-Flair herüberbringen sollen und die Kleider bei Musicals gerne mal etwas übertriebener ausfallen, dennoch schienen mir hier einige Kostüme (gerade die der (meiner Meinung nach ohnehin völlig bedeutungslosen und störenden) Apollo Girls) doch zu extrem und auch in dem Rahmen etwas unpassend. Und wenn wir gerade bei Störfaktoren sind: Mein größter ist/war die Szene zum bzw. das Lied „Living in America“. Bereits beim letzten Mal hatte ich da das dringende Bedürfnis verspürt, loszuschreien und aus dem Auditorium zu rennen. Der überdimensionale Glitzervorhang, die ganzen Glitzerkostüme und obendrauf die überlebensgroßen Freiheitsstatue- und Uncle Sam-Marionetten haben mich, um ehrlich zu sein, völlig fertig gemacht. Natürlich spielt gerade der American Dream in dieser Geschichte eine große Rolle und zugegebenermaßen reagiere ich sowieso sehr schnell auf den „American Way of Life“ und auf zu viel Amerikanisierung leicht allergisch, aber hier war es eindeutig zu viel des Guten. Dementsprechend „Angst“ hatte ich vor dieser Szene bei meinem zweiten Besuch des Musicals. Ich hatte mir deswegen vorgenommen, die Augen und Ohren zuzuhalten, aber hier ist es eben wie bei einem Unfall – man kann doch nicht richtig wegschauen und so spickelte ich ein bisschen zwischen meinen Fingern hindurch und mein Grausen war dieses Mal fast noch größer. Kurzfristig hatte ich fast die Hoffnung, dass sie die Choreografie ja eventuell vor dem Hintergrund des aktuellen Wahldebakels abgeändert haben könnten, aber das war letztendlich leider, leider doch nicht der Fall.

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v.l.n.r.: Alex Brugnara (Paulie), Anja Backus (Gloria), Orion OJ Lynch (Apollo Creed), Antonio Orler (Rocky Balboa), Wietske van Tongeren (Adrian) und Michael Flöth (Mickey)

Neben diesem, meiner Meinung nach absoluten Tiefpunkt der Show waren mir auch noch ein paar andere Umstände ein Dorn im Auge: Die simple Handlung und die noch einfältigeren Dialoge. Tatsächlich passiert in der ganzen Geschichte nicht viel: Ein zum Versager abgestempelter Boxer bekommt ein Angebot, gegen den Box-Champion anzutreten, er trainiert ein bisschen und hält dann am Ende im Boxring bis zum Ende Stand. Daneben spielt noch die Liebesgeschichte zwischen eben jenem Boxer und dem Mauerblümchen Adrian eine Rolle. Ständig wird die Einfältigkeit Rocky Balboas in seinem Verhalten, den Songtexten und den Dialogen betont – so oft und so nachdrücklich, dass es mir bald zu viel wurde. Natürlich sorgte der ein oder andere Ausspruch Rockys beim Publikum für riesen Lacher, für meinen Geschmack kamen die meisten “Witze” aber doch ein bisschen ZU flach.

Ähnlich belanglos plätschert auch die Musik dahin. Abgesehen von der altbekannten Rocky-Fanfare, „Eye of the Tiger“ und „Fight from the Heart“ – von denen die Show wohlgemerkt allein zu leben scheint – sind mir zumindest nach meinem ersten Besuch keine anderen Songs im Gehör geblieben. Nach dem erneuten Besuch konnte ich mich nun schon eher an ein paar andere Songs (z.B. „Wenn es weiter regnet“, „Feiertag“ und „Wahres Glück“) erinnern, doch haben sie auch gegen die richtigen Musicalohrwürmer wie „Totale Finsternis“, „Rebecca“ oder „Kalte Sterne“ dennoch nicht die geringste Chance. Überhaupt schien es mir sowohl damals im Juli als auch nun wieder so, als wären der Gesang und die Musik bei diesem Musical ohnehin viel mehr in den Hintergrund gerückt als in vielen anderen Musicals. Bei Rocky geht es augenscheinlich vor allem um die perfekte Show/Inszenierung und das große Spektakel. Das merkt man auch teilweise bei der Castauswahl: War bei meinem letzten Besuch Gino Emnes (in der Rolle des Apollo Creed) mein einziger männlicher Favorit, konnte mich nun sein Nachfolger (Emnes wechselte vor Kurzem nach Berlin zu Sister Act) Orion OJ Lynch kaum überzeugen. Dafür gefiel immerhin Antonio Orler als Drittbesetzung Rocky um Welten besser als sein Kollege Hannes Staffler das letzte Mal – hier passte nun wenigstens die Optik und auch gesanglich und schauspielerisch konnte man sich nicht derart beklagen. Auch Anja Backus in der Rolle der Gloria stellte dieses Mal ihre Kollegin Rosalie de Jong, die ich in dieser Rolle im Juli gesehen hatte, in allen Punkten in den Schatten. Die Auftritte Glorias mit ihren beiden Freundinnen zählten zu den stärksten Gesangsstücken des Musicals. Überhaupt schien der weibliche Cast, angeführt von Wietske van Tongeren, den männlichen dieses Mal dennoch etwas deutlicher in den Punkten Gesang, Schauspiel und auch Bühnenpräsenz zu übertrumpfen – was mir bei einem so „männer(themen)lastigen“ Musical wiederum doch etwas zu denken gibt.

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Am Ende der Show kommen die Zuschauer dem Cast beim Erinnerungsfotos- und Selfieknipsen “hautnah”

Unterm Strich ist bei Rocky – Das Musical ist der Unterhaltungsfaktor eindeutig im Fokus, alles andere steht dabei etwas hinten an. Wer es also gerne etwas subtiler mag und viel Wert auf gute Musik und Dialoge sowie eine anspruchsvolle Handlung legt, dem sei weniger zu diesem Musical geraten. Aber all diejenigen, die gute Unterhaltung und eine spektakuläre Show erwarten, werden hier sicherlich auf ihre Kosten kommen und viel Spaß haben. Was mich betrifft, bin ich natürlich dankbar dafür, noch einmal in den Genuss dieser sensationellen Bühnentechnik und des grandiosen Gesangs van Tongerens gekommen zu sein, doch war dies definitiv mein letzter Besuch des Musicals (zumal im Januar ohnehin der letzte Vorhang fällt) und ich freue mich jetzt umso mehr auf Rockys Nachfolger, die Vampire, die dann bald wieder in Stuttgart ihr Unwesen treiben werden.

Habt ihr das Musical bereits gesehen? Falls ja, wie waren eure Erfahrungen? Falls nein, würdet ihr es gerne sehen wollen oder kennt ihr den Film?

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